Influencer Marketing – Teil 1: Uneinigkeit in der Rechtsprechung

Was haben Lisa & Lena, VreniFrost oder Julienco, was Thomas Gottschalk, Herrn Kaiser oder dem Marlboro-Mann schon lange abhandengekommen ist? Sie gelten als sog. »Influencer« und verkörpern für ihre Anhänger das, wonach Werbung giert: Glaubwürdigkeit. Influencer sind auch ideale Werbeträger. Besonders erfolgreiche Influencer können für ein Werbevideo auf YouTube oder Instagram rund 30.000 US-Dollar einstreichen[1]. Aber nicht nur die Großen, auch manch sog. »Mikro-Influencer« steht auf der Wunschliste von Werbern weit oben. Mikro-Influencer besitzen eine vergleichsweise geringe Reichweite, meist in der Größenordnung von rund 5.000 Followern. Oft beackern sie Special Interest-Themen für eine kleine, aber umso eingeschworenere Gemeinde.

Nicht jeder Social-Media-Beitrag eines Influencers enthält zugleich Werbung. Manches ist von Werbung so weit entfernt wie ein Ratgeber zur veganen Ernährung von einer Werbeschrift des deutschen Fleischerhandwerks. Teilweise vermischen sich in den Mediaauftritten aber auch redaktionelle und kommerzielle Ebenen. Eine klare Trennung wird schwierig, der Übergang von werbefreier Produktpräsentation zur Schleichwerbung fließend. Hinzu kommt, dass diese Vermischung beider Ebenen nicht selten gewollt und Bestandteil des Konzepts von Influencer Marketing ist.

Was ist beim Influencer Marketing in rechtlicher Hinsicht zu beachten? Die Antworten auf diese Frage sind so unterschiedlich wie die bislang ergangenen Urteile. Ausgangspunkt ist meist das Trennungsgebot von redaktionellem Teil und Werbung in § 5a Abs. 6 UWG. Weitere Trennungs- und Kennzeichnungsbestimmungen finden sich in §§ 7, 8, 58 Abs. 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) sowie in § 6 Abs. 1 S. 1 Telemediengesetz (TMG). Ferner sind die Anforderungen des Jugendmedienschutzstaatsvertrags in § 6 JMStV zu beachten. Werbung darf Kinder und Jugendliche nicht körperlich oder seelisch beeinträchtigen oder mit direkten Kaufappellen ihre Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnutzen.


Die zentrale Norm des § 5a Abs. 6 UWG lautet wie folgt:

  • 5a Abs. 6 UWG »Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.«
  • 5a Abs. 6 UWG setzt zunächst eine geschäftliche Handlung des Influencers voraus. Grob gesprochen dient eine geschäftliche Handlung der Förderung eigener oder fremder kommerzieller Interessen. Sie ist abzugrenzen von einer rein privaten Handlung, die nicht dem Kennzeichnungsgebot unterliegt. Eine generelle Vermutung, dass unternehmerisch tätige Influencer, die Produkte oder Marken in ihren Beiträgen präsentieren, kommerzielle Kommunikation i. S. d. § 5a Abs. 6 betreiben, besteht nach der Rspr. nicht[2]. Auch Influencer können sich auf ihren Accounts privat äußern. Notwendig ist daher eine Betrachtung jeder einzelnen Handlung, inwieweit sie kommerziellen Interessen dient oder als reine private Meinungsäußerung einzustufen ist.

Eine Kennzeichnung des kommerziellen Zwecks ist nicht erforderlich, wenn er sich bereits unmittelbar aus den Umständen ergibt, § 5a Abs. 6 UWG. Die Rspr. stellt insoweit aber hohe Anforderungen: der kommerzielle Zweck muss auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar sein[3]. Dies wäre etwa der Fall bei der Produktpräsentation einer als Influencer bekannten Person auf der Homepage oder der Facebook-Seite des werbenden Unternehmens selbst. Auch bei dem Auftritt einer als Influencer bekannten Person bei einer offenen Werbeveranstaltung eines Unternehmens dürfte der kommerzielle Zweck hinreichend erkennbar sein. Wirbt der Influencer in seinem eigenen Social Media-Auftritt, ist der kommerzielle Zweck einer Handlung aber meist nicht klar erkennbar. So reicht es nach einem Urteil des OLG Frankfurt a. M. nicht, dass sich eine Influencerin in ihren Posts bei einzelnen Unternehmen für das Sponsoring von Reisen und Unterkunft bedankt[4].

Vieles ist beim Influencer Marketing noch unklar, die Berufung auf einen sich aus den Umständen ergebenden kommerziellen Zweck sehr risikoreich. Gerade diese Unsicherheit führt zu einer häufig zu beobachtenden »Überkennzeichnung«. Also zu einer Kennzeichnung auch von nichtkommerziellen Beiträgen als Werbung, nur um sich unter keinen Umständen angreifbar zu machen. Den Gegenpol hierzu bietet ein Urteil des LG München in der Sache »Cathy Hummels«: nach Ansicht des LG München ergab sich der kommerzielle Zweck des Instagram-Auftritts der als Influencerin bekannten Ehefrau des Fußballspielers Mats Hummels bereits aus dem blauen Haken für einen verifizierten Account, aus der Zahl von 485.000 Followern sowie der öffentlichen Zugänglichkeit ihres Profils[5]. Diese in der Fachliteratur viel kritisierte Ansicht dürfte sich wohl kaum durchsetzen. Im Zweifel sollte daher eine klare Kennzeichnung werblicher Inhalte erfolgen.

Doch was genau ist ein werblicher Inhalt? Klar ist, dass eine Kennzeichnung als Werbung erfolgen muss, wenn ein/e Influencer/in Geld oder eine sonstige Gegenleistung für die Präsentation von Waren oder Dienstleistungen erhält. Das ist ein klarer Fall von Werbung. Gleiches gilt, wenn ein präsentiertes Produkt oder eine präsentierte Dienstleistung kostenlos zur Verfügung gestellt und die Veröffentlichung an Vereinbarungen oder Bedingungen geknüpft wurde[6]. Werden Beiträge über Produkte oder Dienstleistungen aus eigener Motivation und ohne Gegenleistung und/oder kommerziellen Anreiz oder Vorgaben Dritter veröffentlicht, bedarf es in der Regel keiner Kennzeichnung als Werbung. Anders verhält es sich wiederum bei einer übertriebenen Anpreisung, wenn also Produkte oder Dienstleistungen über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend dargestellt werden: hier kann eine Kennzeichnungspflicht bestehen, obwohl es keinerlei Gegenleistungen und/oder Vorgaben des Herstellers gab.

Schwierig wird die Beurteilung auch, wenn in einem Social Media-Auftritt Links zu Internetseiten oder Social Media-Auftritten von Herstellern gesetzt werden. Ist das bereits Werbung oder kann man ein Produkt einfach empfehlen, weil man es gut findet? Die Grenzziehung ist bisweilen unklar und die Gerichte urteilen unterschiedlich. Das Berliner Kammergericht (KG) beanstandete in einem Eilverfahren den Instagram-Auftritt einer Influencerin, weil diese nach der Einschätzung des Senats »hierfür mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, wenn nicht Geldzahlungen, so doch geldwerte Vorteile, wie z. B. Rabatte oder Zugaben erhält (…), und sei es auch nur (…) durch kostenlose Überlassung der präsentierten Produkte«. Die Antragsgegnerin hatte in mehreren Beiträgen Markenprodukte präsentiert und hierbei sog. »sprechende Links« auf Internetauftritte entsprechender Unternehmen gesetzt. Zwar sei es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass dies aus reiner Produktbegeisterung und Mitteilungsbedürfnis heraus geschehe, aber »doch in einem solchen Ausmaß unwahrscheinlich, dass hier eine Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes« geboten sei[7]. Hierzu muss man wissen, dass in einem Eilverfahren (einstweiligen Verfügungsverfahren) nur eine vorläufige Regelung aufgrund einer summarischen Bewertung erfolgt. Die eigentliche Entscheidung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Auch die Verlinkung nicht unmittelbar mit einem Kaufangebot, sondern mit den allgemeinen Social Media-Auftritten von Herstellern, wird meist als Werbung eingestuft. Der Social Media-Auftritt eines Herstellers fungiere wie ein »virtueller Showroom« für dessen Produkte, Internetnutzer würden so veranlasst, sich dort umzusehen und ggf. durch Anklicken eines weiteren Links zum Verkaufsshop zu gelangen[8]. Schließlich beanstandete das Kammergericht (KG) einen Social Media-Auftritt, in dem als Werbung zu qualifizierende Tags und Links zu Produktherstellern ohne Zusammenhang mit den veröffentlichten Inhalten auftauchten: diese weckten in besonderem Maße die Neugier des Besuchers und würden ihn dazu bewegen, die verlinkten Seiten zu besuchen, um dort weiteres zu erfahren[9].

Das OLG Frankfurt a. M. nahm wegen Verlinkungen im Instagram-Auftritt eines Gestalters von Aquarienlandschaften zu Herstellern des präsentierten Aquarienzubehörs eine kennzeichnungspflichtige Werbung an. Nach Einschätzung des Gerichts erhielt der Aquariengestalter – übrigens ein klassisches Beispiel für einen sog. »Micro-Influencer« – hierfür Entgelte oder sonstige Vorteile, wie Rabatte oder Zugaben. Besonders war in diesem Fall, dass der Präsentierende in geschäftlicher Verbindung zu einzelnen Herstellern stand. Von einem Hersteller wurde er sogar als Social Media-Verantwortlicher bezeichnet. Eine Verlinkung von Produkten mit dem Instagram-Account eines Herstellers ist nach Ansicht des OLG Frankfurt a. M. zudem ein »starkes Indiz«, dass es dem Influencer nicht nur um eine private Meinungsäußerung geht[10]. In einem anderen Fall stufte das OLG Frankfurt a. M. den Internetauftritt einer Influencerin als Werbung ein, wenn sie für Tags zu Drittanbietern eine Gegenleistung bzw. Vorteile erhält. Der Umstand, dass sie sich im Rahmen ihrer Posts für das Sponsoring von Reisen und Unterkunft bedankte, reichte zur Kennzeichnung als Werbung nicht[11].

Von der Rspr. unbeanstandet blieben hingegen Posts einer Modebloggerin, auf denen sie Kleidungsstücke trug, die ohne weitere Informationen mit Tags und Links zu Herstellern oder Händlern versehen waren. Es handelte sich um einen redaktionellen Beitrag, in dem sie angab, auf der Rückkehr von einer Reise zu sein, ein Ruhebedürfnis zu besitzen und sich auf die Heimkehr zu freuen. Nach Ansicht des Berliner Kammergerichts haben Nutzer ein gewisses Informationsbedürfnis, welche abgebildeten Kleidungsstücke, Schuhe und Accessoires die Bloggerin auswählt und miteinander kombiniert, auch als Anregung für die eigene Kleidung. Es gelte insoweit nichts anderes als bei Modezeitschriften, die neben abgebildeten Produkten Angaben zu Herstellern und Bezugsquellen veröffentlichen. Die Bloggerin konnte zu allen Modeartikeln Belege für einen käuflichen Erwerb aus eigenen Mitteln und eine eidesstattliche Versicherung beibringen und darlegen, für den Beitrag keinerlei Entgelt von den genannten Unternehmen oder Dritten erhalten zu haben[12]. Ebenso wenig beanstandete das das LG München den Instagram-Auftritt von Cathy Hummels zu Themen wie Reisen mit Kindern und Yoga. Dessen kommerzieller Charakter ergebe sich bereits aus den Umständen, wie einem blauen Haken für einen verifizierten Account, der Zahl von 485.000 Followern, der Öffentlichkeit des Profils sowie der Bekanntheit der handelnden Person. Hierbei ging es allerdings nicht um konkrete, von Dritten bezahlte Beiträge, sondern um den Social Media-Auftritt als solchen, der insoweit nicht anders zu behandeln sei als konventionelle Medien[13].

Schließlich ist zu beachten, dass die Verwendung sog. Affiliate-Links aus einem an sich privaten Zwecken dienenden Internet- oder Social Media-Auftritt einen kommerziellen Inhalt mit entsprechenden Kennzeichnungs- und Belehrungspflichten machen kann[14].

Trotz aller Unterschiede in der Bewertung des Einzelfalls sind sich die Gerichte einig, dass aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen oder betroffenen Adressatenkreise kein Zweifel am kommerziellen Zweck eines Beitrags bestehen darf, dieser muss vielmehr auf den ersten Blick erkennbar sein[15].

Es ist zu hoffen, dass der BGH die Rechtsprechung zum Influencer-Marketing möglichst zügig vereinheitlicht und den Gerichten klare Vorgaben an die Hand gibt. Die bislang veröffentlichte Rechtsprechung wirft in vielerlei Hinsicht noch ungeklärte Fragen für die praktische Rechtsanwendung auf.

[1] Vgl. https://www.absatzwirtschaft.de/bis-34-000-us-dollar-fuer-ein-video-eine-aktuelle-umfrage-zeigt-wie-viel-top-influencer-verdienen-155352/

[2] KG WRP 2019, 339 Rn. 19 – #vrenifrost; LG München WRP 2019, 931 Rn. 50.

[3] KG GRUR-RR 2019, 34 Rn. 25; KG, Beschl. v. 17.10.2017, Az. 5 W 233/17 = CR 2018, 182; KG, Beschl. v. 11.10.2017, A W 221/17; OLG Celle WRP 2017, 1236, 1237.

[4] OLG Frankfurt a. M. GRUR 2020, 208 Rn. 15.

[5] LG München WRP 2019, 931 Rn. 39 ff. – Cathy Hummels.

[6] Vgl. Leitfaden der Medienanstalten zur Werbekennzeichnung bei Social Media-Angeboten, Jan. 2020, S. 2.

[7] KG, Beschl. v. 17.10.2017, Az. 5 W 233/17 = CR 2018, 182; ähnlich OLG Frankfurt a. M. WRP 2019, 1213 Rn. 8; a. A. Spoerle, jurisPR-ITR 18/2019, Anm. 2

[8] KG GRUR-RR 2019, 34 Rn. 26; OLG Braunschweig, Urt. v. 29.5.2020, Az. 2 U 78/19.

[9] KG WRP 2019, 339 Rn. 40 – #vrenifrost; a. A. wohl LG München WRP 2019, 931 Rn. 39 ff.

[10] OLG Frankfurt a. M. WRP 2019, 1213 Rn. 8 f.

[11] OLG Frankfurt a. M. GRUR 2020, 208 Rn. 15.

[12] KG WRP 2019, 339 Rn. 72-76 – #vrenifrost.

[13] LG München WRP 2019, 931 Rn. 39 ff., 54 – Cathy Hummels.

[14] Vgl. Leitfaden der Medienanstalten Werbekennzeichnung bei Social-Media-Angeboten, Jan. 2020, S. 5; siehe auch Teil 2 zum Influencer Marketing.

[15] KG GRUR-RR 2019, 34 Rn. 25; KG CR 2018, 182; OLG Celle WRP 2017, 1236, 1237; KG, Urt. v. 11.10.2017, Az. 5 W 221/17, Rn. 13.

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