Trinken bis die Bäume wachsen

Zur Koppelung des Getränkeabsatzes mit der Aufforstung des Regenwalds

Zum Trinken gibt es bekanntlich viele und gute Gründe. Man trinkt, weil es einem gut geht. Andere trinken, weil es ihnen schlecht geht. Manche trinken aus Einsamkeit, andere nur in Gesellschaft. Die Menschen trinken zum Zeitvertreib, zur Stützung der Konjunktur, zur Pflege ihres Bauchumfangs oder für den Frieden. Manche haben auch einfach nur Durst. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. In den Siebzigern basierte eine ganze Werbekampagne auf einer Aufzählung von Gründen, warum Menschen sich sonderbar schmeckende Kräuterliköre einverleiben (»Ich trinke J., weil…«).

Inzwischen strebt die Branche aber zu neuen Ufern: Trinken, damit die Bäume wachsen! Vorreiter war eine bekannte Brauerei, die vor einigen Jahren mit Motiven wie diesen aufwartete:

Krombacher Naturschutz

Krombacher Naturschutz

Bildquellen: linkes Bild: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=1d35a779d061e9a478a0e4e41d571749&nr=38702&pos=14&anz=16&Blank=1.pdf; rechtes Bild: Scan des Originals

Das linke Bild gibt die dem BGH seinerzeit vorliegende Originalwerbung in schwarz/weiß wieder, das rechte Bild eine leicht abgewandelte Kampagne für den »Aktionszeitraum Mai bis Juli 2003«. Wer der Empfehlung von Deutschlands klügstem Mann folgte und einen Kasten des beworbenen Brauguts erwarb, der schützte – so die Werbung in der Kampagne 2002 (linkes Bild) – 1 m² Regenwald in Dzanga Shanga. Und das nachhaltig.
Doch damit nicht genug. Dank der Innovationskraft der Werbebranche bedarf es inzwischen nicht mal mehr eines zünftigen Vollrauschs, um Aufforstungen in nennenswertem Umfang zu fördern. So stieß der Autor im Stadtgebiet des als »Great Wine Capital« ohnehin eher dem Rebensaft zugeneigten Mainz vor einigen Monaten auf folgende Plakatierung:

Hassia Naturschutz

Foto: privat
Wer einen Kasten des so beworbenen Sprudels kauft, schützt – völlig alkoholfrei – das Klima und einen ungenannten Baum. Im Kleingedruckten heißt es hierzu: »Mit jedem Kauf eines Mehrwegkastens der Marke hassia im Aktionszeitraum fließt wieder eine Spende an die Initiative PrimaKlima-weltweit e.V. zur Aufforstung in ausgewählten Regionen«. Nähere Informationen gibt es unter der angegebenen Internetadresse. Diese empfing den Autor mit Vogelgezwitscher und Waldidylle. Auch kann man Kameras und Pflanzenführer gewinnen. So lassen sich die geförderten Bäume besser finden und fotografieren. Ich und mein Freund, der Baum, als Selfie.
Bei so viel Altruismus in der Getränkewirtschaft stellt sich unweigerlich die Frage: Dürfen die das? Nun, es kommt darauf an. So die vorhersehbare Antwort des Juristen.

Im Falle der oben links abgebildeten Krombacher-Werbung hatte der 4. Zivilsenat des OLG Hamm noch erhebliche Einwände. Es sei völlig unklar, wie das Bild vom quadratmeterweisen Schutz des Regenwaldes zu verstehen sei und umgesetzt werde (OLG Hamm, Urt. v. 12.11.2002, Az. 4 U 109/02). Das höchste deutsche Zivilgericht, der BGH, ließ die Bierwerbung hingegen unbeanstandet und hob zwei anders lautende Urteile des OLG Hamm und des LG Siegen auf. So sei es grundsätzlich zulässig, Produkte ohne jede Funktionseinheit miteinander zu koppeln. Dies müsse auch dann gelten, wenn ein Unternehmen den Produktabsatz statt mit zusätzlicher Ware mit einer Förderung sozialer, sportlicher, kultureller oder ökologischer Belange (also mit sog. Sponsoring) koppelt. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem beworbenen Produkt und dem in der Werbung versprochenen Engagement ist nicht notwendig. Zudem bestehe keine allgemeine Informationspflicht, etwa zu Details über Art und Weise des Regenwaldschutzes. Die Grenze bildet allerdings das Verbot irreführender Werbung (§§ 5, 5a UWG), wenn über den Wert oder Umfang der Zusatzleistung bzw. des sozialen Engagements getäuscht wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Werbende entgegen seiner Ankündigung überhaupt keine Spenden abführt. Unter Umständen aber auch, wenn die Förderung nicht zeitnah erbracht wird oder in Wahrheit so geringfügig ist, dass sie die werbliche Herausstellung nicht rechtfertigt (BGH, Urteile v. 26.10.2006, Az. I ZR 33/04 – Regenwaldprojekt I; Az. I 97/04 – Regenwaldprojekt II).

Neben dem Irreführungsverbot (§§ 5, 5a UWG) sind aber noch weitere Normen zu beachten. So müssen z. B. bei Verkaufsfördermaßnahmen – um solche handelt es sich vorliegend – die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme klar und eindeutig angegeben werden. Was muss ich tun, damit der Quadratmeter Regenwald bzw. mein Baum tatsächlich sprießt und gedeiht? Also etwa: 1 Kasten = 1 Baum, 1 Leber = eine neue Schonung. Bei Gewinnspielen, wie im Falle der oben abgebildeten Werbung für Sprudelwasser, müssen zudem die Teilnahmebedingungen klar und eindeutig angegeben werden. Um nicht jeden Werbespot gleich zu einem juristischen Machwerk aufzublasen (warum eigentlich nicht – endlich mal kurzweilige und relevante Informationen!), hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung zu den medienadäquaten Informationspflichten herausgebildet. Auch sie gilt es zu beachten.

Kurz und knapp: es gibt in der Tat viele Gründe zum Trinken. Und gute obendrein. Wir trinken ab jetzt für die Bäume, die Welt und das Klima. In zwischenmenschlicher wie in globaler Hinsicht. Darunter machen wir´s nicht – warum auch?

Scroll to top